Kredit-Richtlinie: Banken nehmen´s locker
Die seit dem 11. Juni geltende neue Verbraucherkreditrichtlinie hat an weiten Teilen der Praxis im Vertrieb der Banken nicht viel geändert. Immer deutlicher wird vielmehr, dass die neue Regelung mehr Verwirrung stiftet als Nutzen. Verbraucherschützer sind empört, Banken geben sich unschuldig und die Politik sieht keinen Handlungsbedarf.
Bereits wenige Wochen nach ihrer Einführung hat die neue Verbraucherkreditrichtlinie hohe Wellen geschlagen. Verschiedene Tests und Untersuchungen belegen, dass Verbraucher anders als vom Gesetzgeber beabsichtigt nicht von den Neuerungen profitieren. Ein Praxistest von "Welt Online" in vier Bankfilialen in Frankfurt am Main etwa zeigte jüngst erneut, dass Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander liegen.
Besucht wurden Filialen der Deutsche-Bank-Tochter Norisbank, der Commerzbank, der Santander Consumer Bank und der Postbank. Bei der Norisbank rechnete ein Bankangestellter dem Testkunden zwar im Detail vor, welche Kosten für einen vorgegebenen Darlehenswunsch anfallen. Als der Kunde diese Informationen schwarz auf weiß ausgehändigt haben wollte, hatte die Transparenz jedoch ein Ende. Ähnlich verlief der Praxistest bei der Santander Bank und der Postbank, die unzureichende bzw. wenig aussagekräftige Informationen vorlegten. Nur bei der Commerzbank erhielt der Modell-Kunde ausführlichere Informationen.
Weiterhin beliebt sind bei Banken auch Restschuldversicherungen. Wie "Welt Online" berichtet, wollten zwei der Bankangestellten die Police gerne mit verkaufen. Banken sind nach wie vor nicht verpflichtet, die Kosten einer Restschuldversicherung im Effektivzins anzugeben, wenn der Kredit auch ohne die Police angeboten wird. Bei der Norisbank war der Abschluss der Versicherung im Eingabefeld bereits voreingestellt.
Auch beim Verkauf von Krediten über das Internet hat die Richtlinie nicht viele Vorteile für Kreditnehmer mit sich gebracht. Das repräsentative Beispiel, das Banken in werblichen Angeboten angeben müssen, sorgt für schwindende Übersicht, weil es inmitten anderer Informationen untergebracht wird.
Banken weisen Kritik von Verbraucherschützern zurück. "Wir setzen das Recht konsequent um" kommentierte ein Sprecher der Postbank. Seiner Ansicht nach würden nur Ermessensspielräume genutzt, die der Gesetzgeber offen gelassen habe. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner sieht keinen Bedarf für Nachbesserungen: "Angesichts des erst kürzlich erfolgten Inkrafttretens und der erheblichen Änderungen für die Kreditvergabepraxis wäre es verfrüht, bereits jetzt gesetzlichen Handlungsbedarf geltend zu machen".
Nicht nur Politiker und Banken wurden im Zusammenhang mit der neuen Richtlinie kritisiert, sondern auch Teile der Fachpresse. In den Medien waren zuletzt sehr häufig der Wegfall der Kündigungsfrist und die gesetzlich gedeckelte Vorfälligkeitsentschädigung thematisiert worden. Dadurch, so der Tenor einiger Medien, sei die Flexibilität bei Verbrauchern so groß wie nie. Allzu oft wurde ausgeblendet, dass bei einer Kündigung von Krediten durch Verbraucher die Bearbeitungsgebühr verloren ist.
Fazit: Die neue Verbraucherkreditrichtlinie hilft offenbar niemandem. Die Vielstimmigkeit der Kommentare aus allen Lagern zeigt, dass die Verwirrung bei allen Beteiligten groß ist.
Die Kosten werden am Ende zu einem großen Teil die Kunden tragen müssen: Mehr Verwaltung bedeutet höhere Kosten, die sich wiederum auf den Zinssatz auswirken.
Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und gibt den Sachstand vom 07.07.2010 wieder. Neuere Entwicklungen sind im Beitrag nicht berücksichtigt. Eine Haftung für Inhalte wird nicht übernommen.
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Veröffentlicht am: 07.07.2010
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Schlagwörter: Banken, Verbraucherkreditrichtlinie, Informationen, Kosten
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