Nach drei Jahren schuldenfrei: Ministerin will Privatinsolvenz reformieren
Schuldner in Privatinsolvenz könnten schon bald nach drei Jahren die Restschuldbefreiung erlangen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach sich für eine Halbierung der Wohlverhaltensperiode aus, die allerdings an Bedingungen geknüpft sein soll. Die Ministerin sieht Vorteile für Schuldner und Gläubiger, Experten hoffen auf ein Abklingen des Insolvenztourismus.
Leutheusser-Schnarrenberger betonte im Rahmen des Insolvenzrechtstages des Deutschen Anwaltvereins, dass die Halbierung der gegenwärtig auf sechs Jahre angelegten Wohlverhaltensperiode "nicht zum Nulltarif" zu haben sein dürfe. Sie plädierte für eine Rückzahlungsquote von 25 Prozent. Zudem müssten Schuldner alle Kosten der Privatinsolvenz vollständig begleichen, um in den Genuss der vorzeitigen Restschuldbefreiung zu kommen.
Die Ministerin sieht in der langen Wohlverhaltensperiode ein Hindernis. Sie führe bei vielen Schuldnern zwangsläufig zum Motivationsverlust und dem Ausweichen in die Schwarzarbeit. Dadurch entgingen dem Fiskus nicht nur Steuern und Abgaben. Die Gläubiger sähen zudem nichts von dem schwarz verdienten Geld. Mit einer Verkürzung der Frist auf drei Jahre könne sich für beide Seiten ein Gewinn ergeben.
Juristen versprechen sich von einer Reform der deutschen Privatinsolvenz ein Ende des Insolvenztourismus in andere Länder der EU. Laut Gesetz ist eine Restschuldbefreiung in einem anderen EU-Land auch in Deutschland wirksam. Die gravierende Diskrepanz zwischen den verschiedenen Insolvenzordnungen hat einen regelrechten Wirtschaftszweig auf den Plan gerufen. Schuldner verlegen ihren Lebensmittelpunkt z. B. nach England, wo eine Restschuldbefreiung nach spätestens zwölf Monaten ausgesprochen wird.
Die von der Ministerin vorgeschlagene Rückzahlungsquote von 25 Prozent ist nach Ansicht vieler Experten zu hoch. Ein Großteil der insolventen Verbraucher erzielen nur ein geringes oder gar kein pfändbares Einkommen. Zu den Hauptgründen von Überschuldung zählt Arbeitslosigkeit. Eine zu hohe Quote ließe sich in der Praxis kaum anwenden.
Die Zahl der Privatinsolvenzen in Deutschland wird in diesem Jahr nach einer Schätzung des Bundesverbands deutscher Inkasso-Unternehmen auf den Rekordwert von 110.000 Personen steigen. Mehrere Millionen Haushalte in Deutschland gelten als überschuldet.
Angesichts dieser Zahlen kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden: Überschuldung und Insolvenz lassen sich oft genug verhindern, wenn rechtzeitig die richtigen Maßnahmen eingeleitet werden. Zu viele Schuldner warten bis es zu negativen Schufaeinträgen, eidesstattlichen Versicherungen und Kontopfändungen kommt. Dann ist meist alles zu spät. Durch eine frühzeitige Umschuldung, bei der Banken und Kreditvermittler mitwirken können, ließe sich der finanzielle Kollaps häufig noch abwenden.
Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und gibt den Sachstand vom 13.04.2011 wieder. Neuere Entwicklungen sind im Beitrag nicht berücksichtigt. Eine Haftung für Inhalte wird nicht übernommen.
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Veröffentlicht am: 13.04.2011
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Schlagwörter: Privatinsolvenz, Restschuldbefreiung, Wohlverhaltensperiode, Insolvenztourismus
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