Geoscoring: Vorname und Wohnort entscheiden die Bonität
Der Markt für Bonitätsprodukte floriert: Nicht nur Banken, sondern auch immer mehr Händler prüfen die Kreditwürdigkeit potenzieller Kunden, bevor sie einer Ratenzahlung oder einem Kauf auf Rechnung zustimmen. Auskunfteien nutzen zur Ermittlung ihrer Scores teils fragwürdige Daten. Der falsche Wohnort kann die Bonität genauso schädigen wie der Vorname.
Geoscoring ist nicht nur bei Datenschützern umstritten. Auskunfteien errechnen aus Merkmalen wie der Adresse die Kreditwürdigkeit einer Person. Wohnen in der direkten Nachbarschaft säumige Zahler, beeinträchtigt das die Bonität von Verbrauchern, die ihre Rechnungen stets pünktlich bezahlen.
Beim Geoscoring werden Wohngegenden in kleine Einheiten unterteilt: Je näher ein zahlungsunfähiger Nachbar wohnt, desto ungünstiger. Eine Scoring-Einheit kann dabei nur fünf Haushalte umfassen. Schon kleinere Verschlechterungen in der Bonität eines einzigen Nachbarn können sich deshalb auf die Kreditwürdigkeit von Unbeteiligten auswirken.
Der Gesetzgeber hat das umstrittene Geoscoring im vergangenen Jahr erlaubt. Auf den ersten Blick scheint es absurd, die Bonität eines Kunden am Wohnort festzumachen. Der Wohnort ist allerdings ein für Auskunfteien sehr einfach und kostengünstig zu erhebendes Merkmal, das zudem flächendeckend zur Verfügung steht.
Die Scoring-Anbieter können ihren Kunden- zum Beispiel Online-Shops – Bonitätsprüfungen für unter 50 Cent anbieten, wenn sie keinen nennenswerten Aufwand für das Erheben einer Datenbasis betreiben. Eine statistisch relevante Korrelation zwischen Adresse und Kreditwürdigkeit mag es geben. Die Auskunfteien können gegenüber ihren Kunden deshalb mit einem verringerten Kreditausfallrisiko argumentieren.
Nicht nur das Wohnumfeld bestimmt beim Geoscoring die Bonität maßgeblich mit. Auch Alter und Geschlecht spielen eine Rolle. Wer sein Alter im Rahmen einer Vertragsanfrage nicht angibt, muss mit allem rechnen: Einige Auskunfteien schätzen das Lebensalter anhand des Vornamens.
Der Gesetzgeber öffnet absurden und dubiosen Methoden zur Ermittlung der Kreditwürdigkeit Tür und Tor. Zwar schreibt das Gesetz vor, dass die Bonität nicht ausschließlich anhand von Geodaten gemessen werden darf. Den Auskunfteien bleibt es aber vorbehalten, ihre Berechnungsmethoden geheim zu halten.
Kritiker sehen in der aktuellen Entwicklung einen Defacto-Zwang zur "freiwilligen" Offenlegung aller relevanten Daten durch den Verbraucher. Liegen nur wenige Daten vor, interpretieren Auskunfteien auf intransparente Art und Weise viel in diese hinein. Wer nicht bereit ist, mehr von sich preiszugeben, muss mit willkürlich anmutenden Entscheidungen rechnen.
Die Willkür kann nur durch eine breitere Datenbasis umgangen werden: Daten zu Einkommen und Vermögen, Grundbesitz, Unterhaltsverpflichtungen, Konsumgewohnheiten oder auch gesundheitlichen Fragen könnten schon bald in den Datenbestand der emsig sammelnden Auskunfteien einfließen.
Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und gibt den Sachstand vom 06.05.2011 wieder. Neuere Entwicklungen sind im Beitrag nicht berücksichtigt. Eine Haftung für Inhalte wird nicht übernommen.
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Veröffentlicht am: 06.05.2011
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Schlagwörter: Geoscoring, Bonität, Kreditwürdigkeit, Auskunfteien
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