Reform der Privatinsolvenz: Restschuldbefreiung künftig nach drei Jahren möglich
Überschuldete Verbraucher sollten im Wege der Privatinsolvenz künftig nach drei statt wie bisher sechs Jahren die gerichtliche Restschuldbefreiung erreichen können. Das hat die Bundesregierung am Mittwoch beschlossen. Von den neuen Regeln werden aber nicht alle Schuldner profitieren, weil die verkürzte Verfahrensdauer an Bedingungen geknüpft ist.
Eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren soll künftig möglich sein, wenn Schuldner innerhalb dieser Zeit mindestens 25 Prozent ihrer Verbindlichkeiten und darüber hinaus die Verfahrenskosten begleichen. Kann der Schuldner zumindest die Kosten des Verfahrens übernehmen, soll sich die Zeit bis zur Restschuldbefreiung auf drei Jahre verkürzen. Ist auch das nicht möglich, dauert die Wohlverhaltensperiode weiterhin sechs Jahre.
Wer pleite und arm ist braucht weiterhin sechs Jahre
Schuldenberater verwiesen darauf, dass die Rückzahlung von 25 Prozent der bestehenden Verbindlichkeiten binnen drei Jahren in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht möglich sei. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht in der Reform des Insolvenzrechts nicht nur potenzielle Erleichterungen für Schuldner, sondern auch Vorteile für Gläubiger. Den Schuldnern werde ein gezielter Anreiz zu einer möglichst weitreichenden Rückzahlung ihrer Verbindlichkeiten gesetzt.
Eine weitere Änderung betrifft den außergerichtlichen Einigungsversuch, den Schuldner bislang (in der Regel zusammen mit einer Schuldnerberatungsstelle) unternehmen müssen, damit ein Insolvenzverfahren beantragt werden kann. Die Notwendigkeit dieses Einigungsversuches soll künftig wegfallen, wenn er offenkundig zur Erfolglosigkeit verdammt ist. Auch für Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften soll es Erleichterungen geben. Sie sollen zukünftig genauso geschützt werden wie Mieter.
105.000 Insolvenzen in 2012 erwartet
Im letzten Jahr gab es in Deutschland rund 100.000 Privatinsolvenzen. Für dieses Jahr wird mit 105.000 Fällen gerechnet. Das Mittel der Privatinsolvenz steht seit 1999 zur Verfügung und ist für viele Überschuldete die letzte Möglichkeit für einen Neuanfang. Zu den Hauptgründen für Überschuldung zählen Arbeitslosigkeit, Krankheit und Scheidung.
Eine seit langem unbeantwortete Frage hat die Bundesregierung bei ihrer Reform allerdings außer Acht gelassen: Mit einer Privatinsolvenz in anderen EU-Mitgliedstaaten können auch deutsche Staatsbürger in England oder Frankreich sehr viel schneller eine auch in Deutschland anzuerkennende Restschuldbefreiung erreichen als es in Deutschland künftig der Fall sein wird. In England etwa ist eine gerichtliche Entschuldung binnen zwölf Monaten möglich.
Überschuldung durch rechtzeitiges Gegensteuern vermeiden
Wenn keine gravierenden Gründe wie Langzeitarbeitslosigkeit, Krankheit oder Scheidung vorliegen und vor allem ein unstrukturierter Umgang mit Krediten und/oder eine undisziplinierte Haushaltsführung die Ursache von finanzieller Überforderung sind, kann mit einer rechtzeitigen und gut geplanten Umschuldung häufig ganz ohne Gericht und Schuldenberatungsstelle noch gegengesteuert werden.
In vielen Fällen hilft es bereits, wenn alle laufenden Verbindlichkeiten mit einem einzigen Kredit abgelöst werden. Der neue Kredit kann dann mit einer sehr langen Laufzeit ausgestattet werden, wodurch sich die monatliche Belastung teils drastisch reduziert.
Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und gibt den Sachstand vom 19.07.2012 wieder. Neuere Entwicklungen sind im Beitrag nicht berücksichtigt. Eine Haftung für Inhalte wird nicht übernommen.
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Veröffentlicht am: 19.07.2012
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Schlagwörter: Privatinsolvenz, Restschuldbefreiung, nach drei Jahren möglich
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