Banken warnen ihre Kunden vor Dispokrediten
Die ersten Banken warnen ihre Kunden vor einer dauerhaften Inanspruchnahme ihres Dispokredits. Gleichzeitig schaffen immer mehr Institute die Strafzinsen für geduldete Überziehungen ab.
Doch die neue Dispokredit-Politik hat ihre Tücken: Erstens könnte es vermehrt zur Kündigung von Kreditlinien kommen, zweitens wurde mit der Debatte um die "Dispowarnpflicht" das Tor zu einer neuen Form von Preisdiskriminierung aufgestoßen.
ING-DiBa und Commerzbank warnen vor Gefahren des Dispokredits
Die Commerzbank versieht die Kontoauszüge von Kunden mit überzogenen Girokonto seit letzter Woche mit einem neuen Hinweis: "Ihr Konto weist aktuell einen negativen Kontostand auf. Dafür bezahlen Sie Zinsen. Planen Sie, diesen Saldo länger in Anspruch zu nehmen? Dann lassen Sie sich bei uns über mögliche Alternativen beraten".
Auch die ING DiBa will Kunden in den roten Zahlen künftig kontaktieren. In der vergangenen Woche teilte das Institut in einer Pressemitteilung mit: "Je nach Dauer und Höhe der Inanspruchnahme des Dispokredites erhalten die Kunden der ING-DiBa künftig per Post den Hinweis auf Angebote mit günstigeren Konditionen, wie den flexibel abrufbaren Rahmenkredit oder den Ratenkredit mit festen Rückzahlungsraten".
Kein Rechtsanspruch und keine Vorprüfung
In beiden Fällen gilt es, auf die Details zu achten. Die Commerzbank spricht von "möglichen Alternativen", die ING-DiBa von einem "Hinweis auf Angebote". Es handelt sich somit nicht um verbindliche Angebote, die nur noch der Annahme durch den Kontoinhaber bedürfen. Auch eine Vorprüfung des Kontoinhabers dürfte nicht stattfinden. Viele, die sich auf diesem Wege um einen Kontoausgleich mittels Umschuldung in einen anderen Kredit bemühen, dürften deshalb eine Absage erhalten.
Die Anforderungen an die Bonität sind bei Dispositionskrediten geringer als bei Ratenkrediten, da diese mehr finanziellen Spielraum und eine deutlich größere Vertragsdisziplin erfordern. Für einen Dispositionskredit über 3000 € ist dagegen lediglich eine SCHUFA-Auskunft ohne Negativmerkmale sowie ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von ca. 1000 € erforderlich. Damit dürften die Umschuldungsoptionen vor allem für jene nicht in Betracht kommen für die sie besonders wichtig wären. Im schlimmsten Fall könnte eine abgelehnte Kreditanfrage sogar zum Verlust einer langjährig bestehenden Kreditlinie führen.
Banken erschließen einen neuen Markt
Die in einer breiten Öffentlichkeit geführte Debatte über Warnhinweise für Dispokreditnutzer gibt Banken die Legitimation für zusätzliche Umsatzbemühungen. Wer in die roten Zahlen rutscht, muss künftig mit zusätzlichen Werbebriefen und womöglich auch bald mit Anrufen durch die Bank oder ein Callcenter rechnen.
Für Banken eröffnet sich damit eine eine neue und sehr gut lokalisierbare Zielgruppe. Kontoinhaber mit guter Bonität und echtem Interesse an einer Umschuldung nehmen diese ohnehin vor und suchen dabei häufig gezielt nach einem möglichst günstigen Angebot. Die mit den Warnhinweisen angesprochenen Kunden dürften eher zur Gruppe jener gehören, die keine Lust haben sich mit der Thematik auseinanderzusetzen oder sie schlichtweg ausblenden. Dieser Zielgruppe lässt sich eine unkomplizierte, hausinterne Umschuldung zusammen mit einem guten Gewissen und einem überdurchschnittlich teurer Ratenkredit vermutlich gut verkaufen.
Geduldete Überziehung bald nicht mehr möglich?
In den vergangenen sechs Monaten haben mehrere Banken die Strafzinsen für geduldete Überziehungen – das sind Überziehungen des Girokontos über den eingeräumten Dispositionskredit hinaus – abgeschafft, darunter 1822direkt, die ING-DiBa und die Deutsche Kreditbank (DKB). Zuvor waren solche Überziehungen mit Strafzinssätzen von 5-6 % zusätzlich zum gewöhnlichen Überziehungszins verbunden.
Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Banken aus reiner Kundenfreundlichkeit auf die zusätzlichen Einnahmen verzichten. Er ist anzunehmen, dass geduldete Überziehungen bei den betreffenden Instituten schon vorher gar nicht oder nur im Ausnahmefall möglich waren bzw. dass dies ab sofort der Fall ist. Wer als Bankkunde eine geduldete Überziehung in Anspruch nimmt und diese auf Sicht nicht wieder in den vereinbarten Kreditrahmen zurückführen kann sollte mehr denn je schleunigst handeln um eine Kontokündigung zu vermeiden.
Für eine Umschuldung nicht auf die Bank warten
Letztlich bleibt die Diskussion um die Dispo-Warnpflicht grotesk. Mündige Bankkunden können selbst entscheiden, ob an einem überzogenen Girokonto etwas geändert werden soll oder nicht. Die Angebote sind da: Günstige Ratenkredite im vierstelligen Bereich sind für Zinssätze unter 6 % im Jahr erhältlich. Bei einer entsprechenden Planung sind Umschuldungen auch ohne bzw. mit einer sehr geringen zusätzlichen monatlichen Belastung realisierbar. So kann ein mit 4000 € überzogenes Girokonto durchaus mit monatlichen Mehrkosten von ca. 10 € mit einem Ratenkredit ausgeglichen werden.
Grundsätzlich sollten Umschulungen angegangen werden bevor es zu Überziehungen des durch die Hausbank eingeräumten Dispokredits oder Rücklastschriften mangels Deckung kommt. Bei vielen Banken sind diese Vorfälle Ausschlusskriterien. Allerdings längst nicht bei allen: In unserer täglichen Praxis gelingt es uns häufig genug, rechtzeitig vor einer ernsthaften Zuspitzung der Situation noch eine kostengünstige und komfortable Lösung zu finden.
Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und gibt den Sachstand vom 29.08.2014 wieder. Neuere Entwicklungen sind im Beitrag nicht berücksichtigt. Eine Haftung für Inhalte wird nicht übernommen.
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Veröffentlicht am: 29.08.2014
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Schlagwörter: Dispokredit, Banken warnen vor Dispokrediten, Dispokredit-Politik, Kredit Umschuldungen
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