Die Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie gilt jetzt!
Am 21. März ist die Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Kraft getreten. Mit der "WoKri" ändern sich einige Spielregeln für Banken und Vermittler. Doch auch Kreditnehmer müssen sich an neue, härtere Annahmekriterien gewöhnen.
Die Richtlinie wirft zudem Fragen auf: Dient sie dem Gesetzgeber durch die Hintertür als Bremse für die Preisentwicklung am deutschen Immobilienmarkt? Und lauern in dem Gesetz neue höchstrichterliche Risiken für die Finanzbranche? Kann der Gesundheitszustand eines Antragstellers künftig Gegenstand der Kreditwürdigkeitsprüfung werden?
Was sieht die Wohnimmobilienkreditrichtlinie vor?
Mit dem "Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften" wurden mehrere Bereiche des Kreditmarktes gleichzeitig verabschiedet. An dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber erwähnt: Banken müssen ihren Kunden bei dauerhafter Ausnutzung von Dispositionskrediten künftig Beratung anbieten und Kreditnehmer können sich fortan (ab Ende Juni) nicht mehr auf das "ewige Widerrufsrecht" in Bezug auf Kreditverträge mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung berufen.
Das Gesetz unterscheidet fortan zwischen "Allgemein-Verbraucherdarlehen" und "Immobiliar-Verbraucherdarlehen". Bei letzteren handelt es sich gemäß § 491 (3) BGB um Kredite, die entweder durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast besichert sind oder (!) für den "Erwerb oder die Erhaltung des Eigentumsrechts an Grundstücken, an bestehenden oder zu errichtenden Gebäuden oder für den Erwerb oder die Erhaltung von grundstücksgleichen Rechten bestimmt sind".
Das bedeutet, dass ein Kredit auch dann als Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag eingestuft wird, wenn keine grundpfandrechtliche Besicherung erfolgt, der Kredit aber z. B. zum Bau eines Carports oder eines Wintergartens verwendet wird. Diese Neuerung könnte zu kuriosen Ablehnungen von Kreditanträgen führen: Gibt ein Kunde im Antrag gegenüber der Bank einen Immobilien-Verwendungszweck zu erkennen, könnte sich die Bank zu einer Ablehnung veranlasst sehen, wenn Immobilienkredite nicht zum Portfolio gehören. Unserer Kenntnis nach weisen Banken ihren Vertrieb seit einigen Tagen an, so zu verfahren – explizit nachgefragt wird allerdings nicht.
Neue Regeln auch für Vermittler
Eine weitere Neuerung sieht eine separate Lizenz für Vermittler von Immobilienkrediten – genauer: Immobiliar-Verbraucherdarlehen – vor. Es gibt allerdings Ausnahme- und Übergangsregelungen, so dass Privatkunden erst ab März 2017 auf das Vorliegen einer Lizenz gemäß 24 i Gewerbeordnung achten müssen. Im Rahmen der Lizenz kann auch Honorarberatung erbracht werden.
Banken müssen Kreditvergabe strenger prüfen
Der Gesetzgeber will Banken bei der Kreditwürdigkeitsprüfung stärker in die Pflicht nehmen: Banken sollen ganz besonders genau hinsehen müssen und bei Verstößen gegen ihre Pflicht eine Kündigung des Darlehens ohne Vorfälligkeitsentschädigung und die Herabsetzung des Zinssatzes in Kauf nehmen müssen. Konkrete Vorschriften im Hinblick auf die Annahmekriterien hat der Gesetzgeber aber vermieden und damit de facto die Vorstufe zu einer rechtlichen Grauzone mit schlussendlichem Deutungsauftrag für die Rechtsprechung geschaffen (siehe unten).
Umfangreiches Verbot von Kopplungsgeschäften
Interpretationsbedarf besteht auch im Hinblick auf das Verbot von Kopplungsgeschäften mit Immobilienkrediten. Dafür hat der Gesetzgeber die § 492 a und § 492 b ins BGB eingefügt. Grundsätzlich zulässig ist u.a. das Verlangen des Kreditgebers nach dem Abschluss einer "einschlägigen Versicherung", sofern der Kreditnehmer diese auch bei einem anderen Anbieter abschließen darf.
Hier drängen sich Fragen auf: Wenn der Gesetzgeber ausschließlich Wohngebäudeversicherungen im Blick gehabt hätte, wäre die Formulierung wohl entsprechend präziser ausgefallen. Darf eine Bank künftig also den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung zur Bedingung für einen Immobilienkredit machen? Können dann womöglich Kreditnehmer mit Vorerkrankungen oder ab einem gewissen Alter gar kein Darlehen mehr erhalten?
Was ändert sich für Kreditnehmer?
Kreditnehmer müssen mit einer härteren Prüfung ihres Anliegens rechnen. Banken dürften genauer als schon bislang nachrechnen, ob eine Immobilie auch mit der voraussichtlichen Rente des Antragsstellers finanziert werden kann, ob der Preis des Objekts nicht zu hoch ist und ob die Kreditvergabe nicht mehr Eigenkapital erfordert als bislang.
Das Gesetz verbietet Banken, die Kreditwürdigkeitsprüfung primär auf die Absicherung des Darlehens durch die Immobilie zu stützen. Konkret bedeutet dies voraussichtlich: Das Höchstalter für die Kreditaufnahme wird sinken, die Anforderungen an die Kapitaldienstfähigkeit und den Eigenkapitalanteil werden wachsen und die Prüfung der Angemessenheit des Kaufpreises wird kritischer ausfallen.
Mehr "Papierkram" ist eine weitere Konsequenz. Im Extremfall drohen bis zu 250 Seiten mit gesetzlich vorgeschriebenen Hinweisen und Informationen, haben die Genossenschaftsbanken errechnet. Derlei Folgen sind von anderen Gesetzesänderungen bekannt. Ein Übermaß an vermeintlich relevanten Informationen führt zur Desinformation.
Welche Auswirkungen auf den Immobilienmarkt sind denkbar?
Nicht wenige Kommentatoren der Wohnimmobilienkreditrichtlinie sehen in dem Gesetz einen gut getarnten Versuch des Gesetzgebers, gegen die Preisblase auf dem deutschen Immobilienmarkt vorzugehen. Schließlich steigen die Preise längst nicht mehr nur in den großen Ballungsräumen ungebremst an, was nicht zuletzt mit der Geldpolitik der EZB in Verbindung steht.
Die Rechnung des Gesetzgebers könnte lauten: Schärfere Auflagen im Rahmen der Prüfung durch die Bank gleich weniger Kreditvolumen gleich sinkende Nachfrage gleich Ende des Preisanstiegs. Auf die Nachfrage durch institutionelle Investoren wird die Richtlinie allerdings keinen Einfluss haben – gut möglich also, dass die Preise weiter steigen und Privatkunden lediglich größere Hürden zu überwinden haben.
Was hat die Richtlinie mit BGH-Urteilen zu Bearbeitungsgebühren und Widerrufsrecht zu tun?
Auf den ersten Blick gar nichts. Allerdings könnten die Erfahrungen der Banken mit den beiden wegweisenden (und aus Sicht der Branche teuren) Urteilen eine restriktive Haltung im Kreditgeschäft begünstigen. Der Grund dafür findet sich im durch das Gesetz neu eingefügten § 505d BGB, der eine Herabsetzung des Kreditzinssatzes für den Fall vorsieht, dass eine Bank bei der Kreditwürdigkeitsprüfung gegen ihre Verpflichtungen verstößt:
Der ebenfalls neu eingefügte § 505 b (2) regelt die Pflichten von Banken bei der Kreditprüfung und verzichtet dabei auf konkrete Details:
Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen hat der Darlehensgeber die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers auf der Grundlage notwendiger, ausreichender und angemessener Informationen zu Einkommen, Ausgaben sowie anderen finanziellen und wirtschaftlichen Umständen des Darlehensnehmers eingehend zu prüfen. Dabei hat der Darlehensgeber die Faktoren angemessen zu berücksichtigen, die für die Einschätzung relevant sind, ob der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag voraussichtlich nachkommen kann. Die Kreditwürdigkeitsprüfung darf nicht hauptsächlich darauf gestützt werden, dass (…) der Wert des Grundstücks, Gebäudes oder grundstücksgleichen Rechts voraussichtlich zunimmt oder den Darlehensbetrag übersteigt.
Aus Sicht von Banken lauert hier die nächste Blackbox für höchstrichterlichen Ermessensspielraum, der der Branche auch bei Widerrufsrecht und Bearbeitungsgebühren zugesetzt hatte – in beiden Fällen ausschließlich begünstigend für vergangene Vertragsabschlüsse und ohne handfeste Vorteile für Kreditnehmer der Gegenwart und Zukunft.
Warum sind Kreditvermittler für Immobilienkredite jetzt unverzichtbar?
Für Privatkunden sind Vermittler auf dem Weg zur bestmöglichen Finanzierung nun wichtiger als je zuvor. Aufgrund der neuen Vorgaben wird es unserer Einschätzung nach zu einer wachsenden Heterogenität der Annahmekriterien kommen. Schon vermeintlich kleine Details können große Auswirkungen auf den Kreis der zustimmungswilligen Banken und die realistischen Konditionen haben.
Die Bankenbranche ächzt seit geraumer Zeit über die niedrigen Zinsen auch und gerade im Geschäft mit Immobilienkrediten. Die unübersichtliche Situation könnte ein willkommener Anlass für die Institute sein, den strukturellen Gewinnaufschlag in dem Bereich zu erhöhen. Heterogene Annahmekriterien erschweren die Vergleichbarkeit für Verbraucher und erleichtern Banken solche Zuschläge – außer gegenüber den Kunden, die einen Vermittler einschalten.
Bildnachweis: #104000720, Romolo Tavani, Fotolia LLC
Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und gibt den Sachstand vom 21.03.2016 wieder. Neuere Entwicklungen sind im Beitrag nicht berücksichtigt. Eine Haftung für Inhalte wird nicht übernommen.
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Über diesen Beitrag
Veröffentlicht am: 21.03.2016
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Schlagwörter: Wohnimmobilienkreditrichtlinie, WoKRi
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Hat der Darlehensgeber gegen die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung verstoßen, so ermäßigt sich ein im Darlehensvertrag vereinbarter gebundener Sollzins auf den marktüblichen Zinssatz am Kapitalmarkt für Anlagen in Hypothekenpfandbriefe und öffentliche Pfandbriefe, deren Laufzeit derjenigen der Sollzinsbindung entspricht (…).