Vom Zinsniveau, das Banken bedrängt und Verbraucher nicht erreicht
Die Bafin hat eine Umfrage unter Banken und Sparkassen gestartet und will herausfinden, ob Zinssenkungen nur mit unangemessener Verzögerung an Endkunden im Kreditgeschäft weitergereicht werden.
Für die Banken stellt jedes Abschmelzen struktureller Margen eine große Herausforderung dar: Durch das chronisch niedrige Zinsniveau steht das klassische Geschäftsmodell der Branche auf dem Prüfstand.
Bafin will mit Umfrage Weitergabe von Zinssenkungen prüfen
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat am 28. Juni die zu Jahresbeginn angekündigte Umfrage zur Weitergabe von Zinssenkungen an Endkunden gestartet. Wie die Aufsichtsbehörde am Dienstag mitteilte, wurden dazu Fragebögen an Banken und Sparkassen versendet. Die Ergebnisse sollen bis zum Jahresende vorliegen. Dann will die Bafin entscheiden, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind.
Die Finanzaufsicht will dabei in Erfahrung bringen, wie die Institute durch interne Maßnahmen überwachen, ob Änderungen an Referenzzinssätzen an Kreditnehmer weitergereicht werden. Relevant sind dabei variabel verzinste Darlehen, zu denen unter anderem Dispositionskredite, aber auch revolvierende Kreditrahmen, einige Immobilienfinanzierungen, Autokredite und Existenzgründerdarlehen zählen.
Verbraucherschützer kritisieren seit geraumer Zeit eine ihrer Ansicht nach erhebliche Verzögerung bei der Anpassung von Kreditzinsen. So würden die Zinssätze im Einlagengeschäft nach einer Absenkung von EZB-Leitzins oder anderen Referenzzinssätzen sehr rasch angepasst, die Zinssätze für Darlehen aber erst nach längerer Zeit und dann allzu oft nur unterproportional gesenkt.
Geschäftsmodelle neu ausrichten: Bundesbank sieht Profitabilität der Banken in Gefahr
Dass Banken Zinssenkungen im Kreditgeschäft langsamer weiterreichen als im Einlagengeschäft ist auch auf den wachsenden Ertragsdruck zurückzuführen, dem sich viele Institute angesichts der Niedrigzinsphase ausgesetzt sehen. Das Potenzial dieser asymmetrischen Zinsweitergabe ist indes an sein Ende gekommen: Da die Zinsen im Einlagengeschäft kaum noch weiter sinken können, drohen den Banken die Zinserträge nun besonders stark wegzubrechen.
Das legt auch eine Analyse der Bundesbank nahe, die in ihrem Research Brief von Juni 2016 zu dem Schluss kommt: "Das andauernde Niedrigzinsumfeld belastet das Zinsergebnis der Kreditinstitute auf zweierlei Weise: "Auf der einen Seite müssen die Banken auslaufende, vergleichsweise hochverzinsliche Wertanlagen im Niedrigzinsumfeld durch geringer verzinste ersetzen. Auf der anderen Seite können sie den Zins, den Kunden für ihre Einlagen erhalten, nicht unbegrenzt reduzieren."
Niedrige Zinsen: Für Banken ein Problem, für Kreditnehmer oft nicht erhältlich
So sei der Einlagenzins im Privatkundengeschäft derzeit faktisch nach unten auf null Prozent begrenzt – bei negativen Zinssätzen könnten Privatkunden ihre Einlagen abziehen und als Bargeld halten. Eine im Zuge der EZB-Geldpolitik denkbare, weitere Lockerung der Geldpolitik könnte das Geschäftsmodell der Institute somit noch stärker bedrohen. Das gilt auch für den Ankauf von Unternehmensanleihen durch die EZB, der das Zinsniveau in diesem Geschäftsfeld weiter drücken würde. Banken könnten sich dann zwar schnell ihrer Risiken entledigen, aber auch keine Erträge mehr erzielen.
Im Geschäft mit Ratenkrediten sind Banken nicht zur Kopplung ihrer Zinssätze an Referenzzinssätze verpflichtet. Es zeichnet sich ab, dass die Institute versuchen, ihre Margen in diesem Geschäftsfeld zu erhöhen. Ratenkredite für Privatpersonen sind zuletzt kaum günstiger geworden, obwohl das Zinsniveau am Anleihemarkt zurückgegangen ist.
Die Transparenz auf dem Konsumentenkreditmarkt ist rückläufig
Dabei vergleichen Verbraucher Kredite heute sehr viel intensiver als noch vor einigen Jahren. Dass das Zinsniveau dennoch zu stagnieren scheint, ist auf die rückläufige Transparenz im Kreditgeschäft zurückzuführen. Die durch Banken direkt oder auf Vergleichsportalen kommunizierten Zinssätze verlieren seit Jahren an Aussagekraft, obwohl der Gesetzgeber mit der Kreditrichtlinie seinerzeit genau diese stärken wollte.
Wie kann das sein? Banken werben häufig mit optisch attraktiven, bonitätsunabhängigen Zinssätzen, die jedoch mit einer hohen Ablehnungsquote einhergehen. Abgelehnte Kunden erhalten im Nachgang ihrer Anfrage häufig ein zweites Angebot mit einem höheren Zins. Banken können ihre Produkte dadurch optisch günstig gestalten und zugleich eine stärkere Diversifizierung nach Kreditwürdigkeit vornehmen, ohne die gesetzlichen Bestimmungen zu berühren.
SCHUFA Kreditkompass: Kreditnachfrage und Rückzahlungsquote stabil
Die SCHUFA veröffentlichte Anfang Juni den jährlichen "Kredit-Kompass" mit Daten zum deutschen Kreditmarkt. Zum Ende des Jahres 2015 zählte Deutschlands größte Auskunftei demnach 17,3 Mio. Ratenkredite im Bestand – 1,0 % weniger (!) als ein Jahr zuvor. Die Zahl der im vergangenen Jahr neu abgeschlossenen Ratenkredite blieb mit 7,4 Millionen konstant.
Der "Kreditboom" in Deutschland bleibt somit weiter aus - die Zinssenkungen der vergangenen Jahre haben nicht zu einer drastischen Ausweitung der Nachfrage geführt, wie sich aus den früheren Erhebungen der SCHUFA leicht ersehen lässt. Der Zinssatz scheint damit nicht der entscheidende Parameter für die Nachfrage zu sein – zumindest nicht im Privatkundengeschäft.
Veränderungen gab es lediglich bei Kreditsummen und Laufzeiten: Es wurden etwas größere Summen über durchschnittlich sechs zusätzliche Monate finanziert. Das kann als Reaktion auf das Abflachen der Zinsstrukturkurve interpretiert werden. Nahezu stabil entwickelte sich laut SCHUFA dagegen die Rückzahlungsquote: 97,6 % der Kreditnehme bedienten ihre Darlehen pünktlich. Eine Zunahme um fast 20 % wurde dagegen bei der Anzahl der Konditionenanfragen konstatiert.
Fazit
Das Kreditgeschäft steht vor unverändert spannende Zeiten: Die Bafin will gegen zu zögerliche Zinsanpassungen vorgehen, die Bundesbank sieht Banken durch die niedrigen Zinsen in schwierigem Fahrwasser und die Transparenz im Privatkundengeschäft bleibt zunehmend auf der Strecke. Verbraucher reagieren darauf mit deutlich mehr Vergleichsbemühungen, aber kaum höherer Nachfrage.
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Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und gibt den Sachstand vom 18.07.2016 wieder. Neuere Entwicklungen sind im Beitrag nicht berücksichtigt. Eine Haftung für Inhalte wird nicht übernommen.
Über diesen Beitrag
Veröffentlicht am: 18.07.2016
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Schlagwörter: Niedrigzinsphase, BaFin, Billigzinsen, Banken
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