SCHUFA wird verkauft: Was bedeutet das für Kreditnehmer?
Bei der SCHUFA ändern sich die Eigentümerverhältnisse. Künftig könnte ein schwedischer Investor das Sagen haben.
Bislang sind die meisten Fragen noch offen. Wird die SCHUFA nun härter, teurer und intransparenter?
Verkauf der SCHUFA: Das ist der aktuelle Stand
Die SCHUFA wird verkauft! So lautete eine Schlagzeile bei Handelsblatt und Bild im Oktober 2021. Demnach hat der schwedische Finanzinvestor EQT knapp 10 % der Anteile an der Auskunftei aus Wiesbaden erworben. Gekauft hat der Investor die Anteile von der französischen Großbank Société Générale. Der Kaufpreis: 2,1 Milliarden EUR. Bei einem Anteil von knapp 10 % würde dies die SCHUFA mit rund 20 Milliarden EUR bewerten.
EQT will seinen Anteil an Deutschlands wichtigster Auskunftei sogar noch ausbauen. Dazu werden derzeit Gespräche mit anderen Anteilseignern geführt. Zu den Anteilseignern der SCHUFA gehören vor allem Banken, aber auch Unternehmen aus den Bereichen Handel und Telekommunikation. Auf Nichtbanken entfällt ein Anteil von 13,1 % am Grundkapital.
Sparkassen und Genossenschaftsbanken zeigen kein Interesse an Verkauf ihrer Anteile
Während der Finanzinvestor die SCHUFA Anteile aus dem Besitz des Société Générale recht einfach erwerben konnte, sieht es mit einem Ausbau der Beteiligung zunächst schwieriger aus. Die SCHUFA ist nicht an der Börse notiert: Über diesen Weg kann der Investor seinen Anteil am Grundkapital nicht ausbauen. Der Weg würde über die anderen Eigentümer führen. Die stellen sich aber noch quer.
Die Sparkassen halten etwa 26,4 % an der SCHUFA. Hier ist einem Bericht des Handelsblatts zufolge keinerlei Interesse an einem Verkauf zu erkennen. Das Blatt beruft sich auf einen Insider, demzufolge die Sparkassen unbedingt eine Sperrminorität an der SCHUFA behalten möchten. Wenig Interesse an einem Verkauf der Anteile besteht offensichtlich auch bei der genossenschaftlichen Finanzgruppe. Diese hält 25,8 % an der SCHUFA.
Der Finanzinvestor ist jedoch nicht nur durch die Mehrheit der Sparkassen und Genossenschaftsbanken an der Auskunftei auf die deutschen Institute angewiesen. Sparkassen und Genossenschaftsbanken führen zusammen mehr als 60 Millionen Girokonten. Damit stellen diese Institute einen wesentlichen Teil der Datenbasis der SCHUFA dar.
Kurzfazit: Noch ist längst nicht klar, ob sich die Machtverhältnisse bei der SCHUFA wirklich verschieben. Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben jeweils eine Sperrminorität und behalten diese absehbar auch. Außerdem sind diese Partner essenziell für die Datenbasis der Auskunftei.
Warum ist die SCHUFA für Investoren interessant?
Warum ist die SCHUFA aus Investorensicht interessant? Zum einen sind die operativen Geschäftszahlen der Auskunftei alles andere als schlecht. Der jährliche Umsatz erreichte zuletzt knapp 230 Millionen EUR. Brancheninsidern zufolge soll die operative Marge bei rund 30 % liegen.
Entscheidend scheint die Datenbasis der SCHUFA zu sein. Diese eröffnet Finanzinvestoren strategische Optionen. Die SCHUFA speichert in Deutschland Daten zu 68 Millionen Personen sowie 6 Millionen Unternehmen. Insgesamt umfasst der Datenbestand mehr als 1 Milliarde gespeicherte Informationen.
Strategisches Ziel der Investoren dürfte es also sein, mehr aus diesem Datenbestand herauszuholen. Das Geschäft soll ausgeweitet werden. Künftig könnte die SCHUFA etwa die Bonität von Unternehmen bewerten und damit ein Stück weit stärker ins Geschäft von Creditreform und Co. eindringen. Auch weitere Zukäufe im europäischen Ausland könnten die Auskunftei breiter aufstellen und verborgene Potenziale im Datenbestand heben.
Was bedeutet der SCHUFA Verkauf für Kreditnehmer?
Was bedeutet der SCHUFA-Verkauf für Kreditnehmer und alle anderen Verbraucher, die im Datenbestand der Wiesbadener vermerkt sind? Die gute Nachricht: Der SCHUFA-Verkauf bedeutet für Verbraucher zunächst einmal nichts. Die bisher gespeicherten Daten dürften bis zum Ende der Speicherfrist im Datenbestand verbleiben. Welche Daten wie lange gespeichert werden, legt ohnehin in weiten Teilen der Gesetzgeber fest.
EQT als Investor könnte allerdings an der einen oder anderen Stelle an der Preisschraube drehen. Dies könnte bedeuten, dass kostenpflichtige Selbstauskünfte fortan teurer werden. Allerdings räumt der Gesetzgeber Verbrauchern einen Anspruch auf eine kostenlose Selbstauskunft ein. Wer es bei dieser (ausreichenden) Basisversion belässt, müsste dann auch in Zukunft nichts bezahlen.
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SCHUFA Score wird Fall für den EuGH
Eine weitere Frage im Hinblick auf den Wert der SCHUFA für Investoren ist allerdings noch offen. Der Grund: Der SCHUFA Score wird zum Fall für den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Mit dem SCHUFA Score misst die Auskunftei die Bonität von Verbrauchern.
Der Scorewert entscheidet in der Praxis häufig darüber, ob Verbraucher einen Kredit erhalten oder nicht. Wie sich der Score konkret zusammensetzt, betrachtet die SCHUFA als ihr Geschäftsgeheimnis. Dieser Auffassung gab der Bundesgerichtshof (BGH) 2014 Recht.
Das Recht der SCHUFA auf die Geheimhaltung des Scorewertes ist für Investoren indirekt von Interesse. Andere Auskunfteien verfügen nicht annähernd über derart große Datensätze wie die SCHUFA. Deshalb fällt es diesen Auskunfteien schwieriger, ähnlich belastbare Scorewerte zu entwickeln. Müsste die SCHUFA ihre Berechnungsmethoden offenlegen, könnten andere Auskunfteien aufschließen – was den Wert der Wiesbadener Auskunftei aus Sicht von Investoren schmälern könnte.
Stellt die DSGVO der SCHUFA ein Bein?
Bislang schienen die Wiesbadener mit ihrer Rechtsauffassung auf der sicheren Seite zu sein. Doch nun könnte sich das Blatt noch einmal wenden. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat dem EuGH im Oktober zwei Fragen zu diesem Thema vorgelegt (Az.: 6 K 788/20.WI). Die Richter wollen vom EuGH wissen, ob die Berechnung von Scorewerten in Bezug auf Individuen sowie die Weitergabe dieser Scorewerte an Dritte mit der Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) vereinbar ist.
Art. 22 der DSGVO „automatisierte Entscheidungen im Einzelfall einschließlich Profiling“. Abs. 1 regelt, dass Verbraucher das Recht haben,
, die Verbrauchern gegenüber entweder rechtliche Bindung entfaltet oder in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt.
Die Wiesbadener Richter möchten vom EuGH erfahren, ob die Berechnung von Scorewerten und deren Übermittlung an Vertragspartner wie zum Beispiel Banken unter diese Regelung DSGVO fällt. Die Regelung greift nicht immer. Sollte der EuGH dies hier jedoch so sehen, könnte die Berechnung von Scorewerten durch die SCHUFA mit der DSGVO kollidieren.
Doch selbst, wenn der EuGH Art. 22 der DSGVO nicht für das Scoring als zuständig ansieht, ist die Sache für die SCHUFA noch nicht ausgestanden. Der Grund dafür ist die zweite Frage der Wiesbadener Richter. Diese wollen wissen, ob § 31 Bundesdatenschutzgesetz mit Europarecht vereinbar ist, falls der EuGH Scorewerte nicht in die Zuständigkeit der DSGVO gelegt sieht.
In § 31 BDSG hat der deutsche Gesetzgeber präzise Regeln über Scoring aufgestellt, die über die DSGVO hinausgehen. Genau dafür aber gibt es nach Auffassung der Wiesbadener Juristen keine Befugnis des Gesetzgebers.
In diesem Punkt hat EQT im Übrigen Transparenz versprochen. Laut Handelsblatt soll künftig weitreichender als bisher offengelegt werden, aus welchen Daten sich ein Score zusammensetzt und wie die einzelnen Daten den Scorewert beeinflussen. EQT will dabei eigenen Angaben zufolge auch Verbraucherschützer mit einbeziehen.
Wer ist EQT?
EQTPartners AB ist ein in Stockholm ansässiger Finanzinvestor. Das Unternehmen ist mit Risiko- und Beteiligungskapital an den Märkten aktiv und seit September 2019 an der Börse notiert.
Die Kernstrategie des Unternehmens besteht darin, stark positionierte mittelgroße Unternehmen zu kaufen und deren Marktposition weiter zu verbessern. Die SCHUFA passt in dieses Raster.
Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und gibt den Sachstand vom 10.11.2021 wieder. Neuere Entwicklungen sind im Beitrag nicht berücksichtigt. Eine Haftung für Inhalte wird nicht übernommen.
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Die sensibelsten Daten der Deutschen nun in ausländischer Hand? Prost Mahlzeit!
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Veröffentlicht am: 10.11.2021
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Schlagwörter: Schufa, Verkauf, Kreditnehmer, Daten, DSGVO, EQT, Auskunftei
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